Heute möchte ich mal nicht in die Ferne schweifen, sondern in Deutschland bleiben. Neben den großen und bekannten Urlaubszielen gibt es in Deutschland viele versteckte Ecken, in die sich eher weniger Touristen verirren. So gibt es zum Beispiel nördlich von Heilbronn eine typische schwäbische Kleinstadt: Neuenstadt am Kocher. Die Stadt hat wenige Sehenswürdigkeiten, außer der historischen Lindenanlage und dem Mörikedorf Cleversulzbach, aber mit ihrem Theaterangebot hat sich die Stadt eine Fangemeinde aufgebaut, die weit über die Stadtgrenzen hinwegreicht.
Da aber so ein Theaterabend nicht für einen Kuzurlaub reicht, bleibt die Frage: Gibt es denn in der Gegend genug andere Dinge zu besichtigen? Ja, auf jeden Fall. Natürlich sind das nicht die Sehenswürdigkeiten, die man in jedem Reiseführer findet; vielmehr geht es darum, Kleinode aufzuspüren und Tourismus abseits von Massen zu erleben. Falls jemand doch mehr auf die Massen steht – Rothenburg ob der Tauber und Heidelberg sind auch jeweils nur eine Autostunde entfernt ;-). Aber auch ohne diese Blockbuster kann man hier ein paar interessante Tage verbringen. Hier nenne ich nur in loser Reihenfolge ein paar Beispiele:
- Bad Wimpfen, die größte staufische Pfalzanlage in Deutschland
- Bad Friedrichshall mit seinem Salzbergwerk
- Kloster Schöntal
- Burgen und Schlösser in Hohenlohe
Auch der Aktivurlaub kommt in der Region nicht zu kurz: Auf den Flüssen Jagst und Kocher können Kanutouren unternommen werden, und die Radwege entlang der Flüsse erfreuen sich auch immer größerer Beliebtheit.
Neben diesen traditionellen Sehenswürdigkeiten findet man hier wie oben schon angedeutet eine ausgeprägte Freilichttheaterszene. Vor allem drei Freilichtbühnen haben eine lange Tradition in der Region und erreichen ein großes Publikum: Jagsthausen, bekannt durch die jährlichen Aufführungen des Götz von Berlichingen, Schwäbisch Hall, wo auf der großen Freitreppe der Michaelskirche gespielt wird, und schließlich Neuenstadt, wo im Schlossgraben seit 1958 gespielt wird. Im Gegensatz zu den Bühnen in Jagsthausen und Schwäbisch Hall baut die Freilichtbühne Neuenstadt dabei ausschließlich auf Amateure als Schauspieler. Aktuell, nach mehreren Umbauten, finden bis zu 850 Besucher Platz in dem schön angelegten Amphitheater. Der größte Teil der Zuschauerränge ist mit einer eleganten Schirmkonstruktion überdacht, so dass keine Balken die Sichtbahnen stören und die Zuschauer auch bei Regen die Akteure (die natürlich unbedacht bleiben) bewundern können.
So weit die nackten Fakten – jetzt aber rein ins Geschehen. An einem lauen Sommerabend machten wir uns auf den Weg, die diesjährige Aufführung “Im weißen Rössl” zu besuchen. Auf die Handlung des Stücks und die darin vorkommenden Gesangsstücke möchte ich hier gar nicht eingehen, den meisten sind diese ja durch die unsägliche Kitschverfilmung aus den 60er Jahren hinreichend bekannt. Hier wird aber aus dem verkitschten Stoff wieder etwas Leichtes, das den Betrachter fast 2h ohne Pause in seinen Bann zieht. Die Vorstellung war wie fast jeden Abend bis auf den letzten Platz ausgebucht. Pünktlich, wie es sich für eine schwäbische Kleinstadt gehört, begann die Vorstellung, und innerhalb der ersten Minuten war man sofort weit weg von Neuenstadt und fühlte sich an den Wolfgangsee versetzt. Klar kann man bei einer kleinen Bühne, die als Hintergrund ein Schloss hat, keinen See im klassischen Sinn erwarten, aber die Kulisse war so geschickt gewählt, dass man sich die Nähe zu See und Bergen sehr gut vorstellen konnte. Der See wurde auf einen Teich reduziert, auf dem der Dampfersteg hinter der Bühne verschwand.
Dann die nächste Überraschung, die Schauspieler, die keine langjährige Gesangsausbildung mitbringen, meistern die einzelnen Lieder sehr gut. Klar gibt es hin und wieder kleinere Schwächen, der Ton kann nicht immer gehalten werden, manche Schauspielerinnen sind beim Singen etwas zu leise, aber seien wir ehrlich – das sind ganz geringe Einschränkungen. Die einzelnen Rollen sind sehr gut besetzt und obwohl die Protagonisten echte Schwaben sind, sitzt der Dialekt – egal ob berlinerisch oder österreichisch – perfekt. Man spürt, mit welchem Engagement die Darsteller über Monate hinweg hart gearbeitet haben, Freizeit geopfert haben, um ihr Stück in dieser Form auf die Bühne zu bringen. Und das Publikum dankt es ihnen jeden Abend mit stehenden Ovationen.
Für alle, die den Reiz von Amateurtheater unter freiem Himmel kennen lernen wollen, ist Neuenstadt eine ideale Anlaufstelle.Für dieses Jahr wird es schwer, noch ein paar Karten zu erhalten, aber für einen Kurzurlaub sollte man Neuenstadt, die Freilichtbühne und die Region auf jeden Fall auf seine “Shortlist” nehmen.
Homepage Freilichtbühne Neuenstadt
Man sollte es gesehen haben. Ein temporeiches Stück mit toller Choreographie. Danke an alle Mitwirkenden !
ein informativer und interessanter Bericht. Liest sich sehr gut.
Es ist ein Theaterstück welches gesehen sein sollte.
Kunst- und Kulturgenuss auf dem Lande gibt’s bei uns im nördlichen Baden-Württemberg in großer Fülle und hoher Qualität – gesammelt auf http://www.kiratour.de, dort gibt’s die “Schätze”. Auch auf Facebook unter http://www.facebook.com/KulturSueden oder http://www.facebook.com/kiratour . Reinschauen – herkommen! 🙂