Die letzte Station unserer Adriaumrundung war das Friaul, wo wir uns wie im letzten Jahr in Topolò ein Ferienhaus gemietet hatten. Jetzt fragt sich der geneigte Leser verwundert, wer geht denn freiwillig ins Friaul und dann auch noch in einen Ort namens Topolò, den wirklich niemand kennt? Also betreibe ich hier mal ein bisschen Aufklärung. Das Friaul ist eine wunderschöne Kulturlandschaft, die im Nordosten Italiens an den Grenzen zu Österreich und Slowenien liegt. Im Süden liegt das Meer und im Norden die Berge. Im Osten wunderschöne Weingebiete, mit vielen Weingütern, wo man guten Weißwein verkosten und kaufen kann. Klar, es ist nicht die Toskana, aber in vielen Bereichen kann diese schöne Landschaft mit der weit berühmteren Region in der Mitte Italiens mithalten, und sie hat einen weiteren unschlagbaren Vorteil – sie ist keine 400 km entfernt von München.
Wie sind wir auf die Region aufmerksam geworden? Das erste Mal durch einen Artikel im Geo Saison, der die Schönheit Norditaliens beschrieb. In dem Artikel wurden vor allem Cividale del Friuli, Görz und die Gegend um Cormons vorgestellt. Topolò im Speziellen fanden wir zum ersten Mal in einem Artikel der DAV-Mitgliederzeitschrift über die Natisonetäler an der Grenze zwischen Italien und Slowenien. Der Artikel überzeugte mich, das Buch “Die letzten Täler“, das von der Universität Klagenfurt herausgegeben wurde, zu kaufen und diese vergessene Gegend im Herzen Europas (aber am Rande der Welt) zu erkunden.
Unsere erste Anlaufstelle war natürlich Cividale del Friuli, eine wunderschöne Kleinstadt mit einer beeindruckenden Altstadt, einem für die Größe der Stadt gigantischen Dom und einer wunderschönen Brücke, die über den Natisone führt, der hier tiefgrün durch die Stadt fließt. Letztes Jahr wurde Cividale auf die Liste der Unesco-Weltkulturgüter aufgenommen wegen seiner historischen Bedeutung als Hauptstadt des ersten langobardischen Königreichs auf italienischem Boden, von dem noch heute Zeugnisse in der Stadt zu finden sind. Weiterhin ist die Stadt vor allem für ihr großes Mittelalterfest im August bekannt. Wir hatten das Glück, das Spektakel vor drei Jahren live mitzuerleben, aber dieses Jahr waren wir zu einem ruhigeren Zeitpunkt vor Ort und konnten so gemütlich durch die Gassen schlendern, Kaffee trinken und unser erstes Stück Gubane probieren. Gubane (für die nicht Eingeweihten) ist eine regionale Spezialität, sprich Hefekuchen mit Nussfüllung (Haselnüsse, Rosinen, Grappa, Pinienkerne) – wird lokal natürlich variiert.
Von hier aus ging es dann auf immer schmaler werdenden Straßen in die Natisone-Täler nach Topolò. Hier zum besseren Verständnis erst mal wieder ein Zitat aus dem Buch “Die letzten Täler”: “Topolò verkörpert in vielerlei Hinsicht den Idealfall eines Dorfes der Valli del Natisone … (Es hat) den Umriss eines gleichschenkeligen Dreiecks, an dessen Scheitelpunkt die Kirche thront. Es umfasst fast 100 Gebäude, die wegen des starken Gefälles fast übereinander zu stehen scheinen.” Und genauso erscheint einem Topolò, wenn man die kurvige Bergstraße von Grimacco herauffährt. Nach den letzten Kurven endet die Straße abrupt auf einem Parkplatz, und hier hat man wirklich das Ende der Straße erreicht, darüber türmen sich eng übereinander die Häuser. Stand heute leben heute nur noch 30 Leute im Dorf, zu seiner Blütezeit im 19. Jh. waren es mal über 500 Einwohner. Die umliegenden Wälder haben längst die ehemaligen Kulturflächen wieder in Besitz genommen, und man hat das Gefühl, als würde das Dorf von allen Seiten von Bäumen belagert. Das Dorf wäre zum Sterben verurteilt gewesen, wenn nicht zwei Organisationen sich um die Erhaltung gekümmert hätten. Einerseits das Kulturfest – Stazione di Topolò, das Jahr für Jahr für zwei Wochen im Juli Künstler in den Ort bringt, die hier Kunstwerke ausstellen, in Workshops zusammenarbeiten und gemeinsame Theateraufführungen durchführen. Andererseits der Verband Albergo Diffuso Valli del Natisone, der hier und in umliegenden Orten restaurierte Häuser als Ferienwohnungen anbietet. Dadurch hat der Ort einen kleinen bescheidenen Tourismus, der ihm die Existenz für ein paar weitere Jahre sichert. Aber man muss sich bewusst sein, dass man die Ruhe im Ort dadurch erkauft, dass es hier kein Supermarkt gibt, kein Café und kein Restaurant, für all diese Dinge muss man mindesten 4 km weit fahren oder laufen. Für den Supermarkt sogar 10 km …. Aber auf der anderen Seite findet man hier eine Ruhe, die man als Mitteleuropäer so kaum kennt, es gibt keinen Autolärm, noch nicht mal in der Ferne, stattdessen kann der Blick über ungetrübtes Grün schweifen. Aber die Frage ist berechtigt, was kann man hier denn machen? Vor allem Wandern! Hier sind viele alte Pfade zu erkunden und auch für Historiker ist hier vieles zu entdecken. Hier fanden entscheidene Schlachten des 1. Weltkriegs statt und auf den Bergen Matujar und Kolovar kann man immer noch die Anlagen der grausamen Isonzo-Schlachten besichtigen.
Aber kommen wir zu fröhlichen Themen. Ein weiteres Highlight ist die tolle Küche des Friauls, die man in den einfachen Trattorien der Orte erleben kann. Nebenbei erwähnt, lernt man hier auch immer wieder interessante Leute kennen. Hier mein Vater im Gespräch vor der Trattoria mit einem Herrn in einem einmaligen Gefährt: Fiat 500 Cabrio Bj. 68 – toll, oder? Zum Essen ist unser Lieblingsort die Trattoria alla Posta in Grimacco, die Köchin zaubert einem auf Vorbestellung ein 7-gängiges Überraschungsmenü, das einem die Vielfalt der friulanischen Küche näher bringt und einen mit seinem Reichtum an frischen Wildkräutern in verschiedenen Variationen immer wieder überrascht. Auch dieses Mal wurden wir nicht enttäuscht, verbrachten einen langen Mittag bei Donna Maria und wurden hervoragend bewirtet. Die Köchin macht alles selber und man ist meist auch der einzige Gast und wird mit einer Herzlichkeit empfangen, die seinesgleichen sucht. Die Nähe zur slowenischen Grenze bedeutet, dass die Menschen hier Grenzgänger sind: Viele sprechen Slowenisch oder Friulan als erste Sprache. So überrascht es auch nicht, dass man in der benachbarten Trattoria alla Cascata als Hauptgericht Cevapcici angeboten bekommt und zum Abschluss des Essens ein Slivowitz auf einen wartet.
OK, ich seh schon, ich schreib wieder viel zu viel, hmm … aber abschließend muss ich noch erwähnen, dass wir einen weiteren Tag zum Weinkauf im Collio genutzt haben. Zuerst fuhren wir nach Cormons, wo wir uns im Dorfladen mit herrlichem Schinken aus dem Ort eindeckten, bevor wir nach Görz weiterfuhren. Dort besichtigten wir die tolle Kirche und standen kurz mal wieder in Slowenien ;-). Die Stadt war über lange Jahre durch den eisernen Vorhang geteilt. Auch heute ist die eine Seite italienisch und die andere slowenisch, aber beide Seiten haben eine Habsburger Vergangenheit, sind in der EU und man sieht an dieser Stelle Europa langsam zusammenwachsen. Auch die Winzer fangen an, grenzübergreifend wieder zusammenzuarbeiten. Dieses Mal hatten wir nicht so viel Zeit, mehrere Weingüter zu besuchen, deshalb fuhren wir gleich zu unserem Lieblingswinzer Cociancig, bei dem wir schon dreimal eingekauft hatten. Er erkannte uns sofort wieder, und wir mussten, obwohl wir eigentlich einen bestimmten Wein kaufen wollten, erst mal die komplette Palette durchprobieren. Wir hatten wie immer viel Spaß und kauften auch wieder 12 Flaschen, die uns das Leben in Deutschland versüßen werden.
OK, das war jetzt ein bisschen ein Parforce-Ritt durch die letzten drei Urlaubstage, aber ich hoffe, ich habe euch die Gegend ein bisschen näherbringen können. Falls ihr zu dem einen oder andern Ort mehr Infos haben wollt, einfach schreiben, dann geh ich noch mal ins Detail 🙂